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Einleitung zur Druckausgabe 2006

Dieser Text bezieht sich auf die gedruckte Ausgabe
Das vorliegende Historische Ortsverzeichnis tritt in die Nachfolge einiger älterer statistisch-topographischer Lexika ein, die für den sächsisch-mitteldeutschen Raum veröffentlicht worden sind. An erster Stelle ist dabei das „Staats-, Post- und Zeitungslexikon“ von August Schumann und dessen Nachfolger Albert Schiffner aus dem Jahre 1814 zu nennen, das mit seinen 13 Bänden der Erstbearbeitung und den nachfolgenden 5 Supp-lementbänden bis 1833 eine einzigartige Fundgrube für die Erforschung der historischen Landeskunde des ehemaligen Kurfürstentums Sachsen und seiner benachbarten mitteldeutschen Länder darstellt. Es kann nur als ein Meisterwerk mit höchster Anerkennung genannt und mit dem Bedauern darüber betrachtet werden, dass es in unserer Zeit nicht möglich ist, eine Neubearbeitung dieses Werkes zu schaffen. Es reiht sich in die zahlreichen gleichgearteten Unternehmungen ein, die aus privatem buchhändlerischem Antrieb seit dem späten 18. Jahrhundert als eine Frucht aufklärerischen Bildungsstrebens ins Leben getreten sind. Es ging dabei um eine tiefere Kenntnis des Landes auf der Grundlage der einzelnen Orte, die innerhalb der damaligen politischen Grenzen vollständig erfasst wurden. Die enzyklopädische Bewegung jener Zeit, der die großen Universal-Lexika des 18. Jahrhunderts zu verdanken sind, brachte in der Gestalt des topographischen Lexikons eine fachlich festgelegte Sonderform und ein geographisch begrenztes Hilfsmittel der Landeskunde hervor, das über die bloße Nennung der Ortsnamen und der politisch-territorialen Zugehörigkeit der einzelnen Orte hinaus mit Angaben zur Statistik, zur Landesnatur, zur Wirtschaft und zur Geschichte angereichert wurde. So entstand der Typus des historisch-topographisch-statistischen Lexikons, das mit der Fülle seiner Informationen dem Bildungsbedarf jener Zeit entgegenkam, das über mehr als 200 Jahre später aber noch als eine wertvolle Geschichtsquelle für die Erforschung der geschichtlichen Landeskunde unverzichtbare Dienste leistet. Der „Schumann-Schiffner“, wie dieses Lexikon in Fachkreisen bezeichnet wird, ist noch heute bei allen Nachforschungen zur älteren Landes-, Heimat- und Ortsgeschichte unentbehrlich. Es enthält nahezu vollständig alle Orte seines festgelegten Geltungsbereichs und es ist bei einer sachkundigkritischen Benutzung weitgehend zuverlässig. Es bleibt ein Rätsel, auf welche Weise es dem in Zwikkau, also in der „Provinz“ ansässig gewesenen Buchhändler und Verleger gelungen ist, Angaben für mehr als 10 000 Orte und Ortsteile in einer Zeit zusammenzutragen, die noch nicht über die modernen Formen der Kommunikation, der Statistik und nicht einmal über ein zuverlässiges, bis in das letzte Dorf verästeltes Postsystem verfügte. Das nunmehr vorgelegte Historische Ortsverzeichnis von Sachsen steht auf den Schultern August Schumanns, die Erwähnung seiner Leistung entspricht einem Gebot der Ehrerbietung. Neben dem „Schumann-Schiffner“ sind für Sachsen weitere gleichgerichtete Ergebnisse verlegerischer Bemühungen zu nennen. Es handelt sich um das von August Siegmund von Zeutsch bearbeitete Ortsverzeichnis für das Kurfürstentum Sachsen aus dem Jahre 1768, das 1791 in zweiter Auflage von T. C. Schurich herausgegeben wurde, sowie um die „Beschreibung von Sachsen und der Ernestinischen, Reußischen und Schwarzburgischen Lande“ von Albert Schiffner, die 1845 in zweiter Auflage erschien. In den Jahren 1802 bis 1806 veröffentlichte der Leipziger Professor für Ökonomie Friedrich Gottlob Leonhardi in der dritten Auflage seine „Erdbeschreibung der Churfürstlich- und Herzoglich Sächsischen Lande“ im Umfang von fast 3500 Seiten. Für die heute zu Sachsen gehörenden ehemals preußischen Gebiete ist diesbezüglich auf das „Verzeichniß der Ortschaften im Bezirke der Regierung zu Merseburg“ des Verlegers Kobitsch aus dem Jahre 1819 sowie auf das „Neue Topographisch-statistisch-geographische Wörterbuch“ von Alexander August Mützell aus den Jahren 1821 bis 1825 zu verweisen. Der inhaltliche Reichtum dieser Werke ist von der landeskundlichen Forschung noch nicht im Entferntesten ausgeschöpft. Allen diesen Lexika ist es gemein, dass sie aus der Zeit vor der amtlichen Landesstatistik stammen und ihre Entstehung privaten verlegerischen oder wissenschaftlichen Antrieben verdanken. Erst mit der Gründung des Statistischen Vereins für das Königreich Sachsen im Jahre 1831, aus dem 1850 das Statistische Büro und schließlich das Statistische Landesamt hervorgingen, wurde die allgemeine Statistik zu einer amtlich betriebenen öffentlichen Angelegenheit mit wissenschaftlichen Methoden und Zielen, für deren Ausbildung und Anwendung namhafte Direktoren sorgten. Diese hier gekennzeichnete „vor-staatliche“ Statistik gehört zugleich in die Zeit vor der industriellen Revolution, die sich in Sachsen um 1830 auszuwirken begann und die mit dem gleichzeitig sich vollziehenden Übergang zum bürgerlich-liberalen Verfassungsstaat völlig neue gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Verhältnisse schuf. So liegt der besondere Wert jener älteren Erzeugnisse der Statistik gerade auch darin, dass in ihnen noch die landeskundlichen und gesellschaftlichen Strukturen greifbar werden, wie sie sich seit dem hohen Mittelalter aus der slawischen Landnahme, aus der deutschen Kolonisation, aus der feudal begründeten Herrschaftsordnung und aus der bäuerlich-handwerklichen Wirtschaftsverfassung ergeben hatten. Die im 19. Jahrhundert entstandene Industriegesellschaft brachte für Land und Leute tiefgreifende Umgestaltungen, die sich auch in den Ergebnissen der Statistik niederschlugen. Hierfür stehen beispielhaft das „Alphabetische Verzeichniß der im Königreiche Sachsen belegenen Stadt- und Landgemeinden“ , bearbeitet durch das Statistische Büro, Dresden 1876, oder die zweite Auflage des „Verzeichnisses sämmtlicher Ortschaften der Provinz Sachsen“ von G. Todtenhof aus dem Jahre 1883. Es wäre eine nicht sachgemäße Verengung des Begriffs der Statistik, ihn nur auf Einwohnerzahlen, territoriale Flächeneinheiten, Viehzählungen, Ernteerträge und Wahlergebnisse und allgemein auf das Zahlenwerk festzulegen. Es geht dabei vielmehr um die systematische Erfassung von Sachverhalten in geordneten Zusammenhängen, wobei gewiss die Zahlenangaben eine tragende Rolle spielen, während andererseits auch Feststellungen einzubeziehen sind, die sich nicht in Zahlen wiedergeben lassen. Der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hervorgetretene Volkskundler und Sozialpolitiker Wilhelm Heinrich Riehl hat die historische Statistik als Grundlage einer neuen Gesellschaftspolitik betrachtet, die auf den gewachsenen Ordnungen im Land und in der Gesellschaft aufgebaut sein sollte. Dazu gehören auch die Feststellung der Bräuche und Feste, in denen sich gesellschaftliches Leben darstellt, die Bauweise und die Hausformen, die Gestaltung der Dorf- und Stadtgrundrisse, die Formen der Flurnutzung und das Leben in den kirchlichen Bereichen. So ist die Statistik im Sinne einer einfachen Übersetzung des Begriffs im 19. Jahrhundert zu einer „Feststellung“ von Sachverhalten geworden, zu einer gezielten „Aufnahme“ von Tatsachen und zu einer „Inventarisierung“ von Gegenständen. Die evangelischen Landeskirchen und die bischöflichen Sprengel der römisch-katholischen Kirche veröffentlichten Handbücher der Kirchenstatistik, die in Folge der hohen Beharrungskraft kirchlicher Organisations- und Lebensformen weit in die Geschichte zurückreichen und wegen der Vernetzung zwischen kirchlichen und weltlichen Strukturen auch für die allgemeine Geschichtsforschung von Belang sind. Ein bedeutender Beitrag zur umfassenden Statistik der Gesellschaft wurde mit der regional begrenzten Inventarisierung der Bau- und Kunstdenkmäler geleistet, die auf topographischer Grundlage das gesamte bau- und kunstgeschichtliche Kulturgut einer Landschaft verzeichneten und es damit für die Forschung bereitstellten. Für das damalige Königreich Sachsen wurde an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eine umfassende Inventarisation dieser Art in Gestalt der „Beschreibenden Darstellung der älteren Bau-und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen“ durch Richard Steche und Cornelius Gurlitt vorgenommen. Auf dem Gebiet der Bau- und Kunstgeschichte als einem Teilbereich der Geschichtspflege wurde das von Georg Dehio ins Leben gerufene „Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler“ zu einem festen Bestandteil. Es informiert in topographischer Ordnung über die in Frage kommenden Kunstgegenstände und Bauwerke. Über seinen ursprünglichen Zweck hinaus, dem gebildeten Touristen ein leicht handzuhabendes Hilfsmittel für seine Reisen in die Hand zu geben, hat es sich im Zuge seiner wiederholten Bearbeitung zu einer wertvollen Orientierungshilfe der allgemeinen Geschichtsarbeit entwickelt und liegt nun für Sachsen in drei Bänden in neuer Bearbeitung vor. Das damit angewandte topographische Prinzip in der Geschichtswissenschaft hat im 20. Jahrhundert zu weiteren bemerkenswerten Ergebnissen geführt. Es ordnet sich gleichrangig neben das biographische Prinzip ein, denn beide Wege der Annäherung an die unerschöpfliche Fülle geschichtlicher Sachverhalte sind brauchbare Versuche, die unübersehbar erscheinende Menge historischer Einzelheiten nach wissenschaftlichen Grundsätzen zu ordnen. Es geht in beiden Fällen um den Aufbau geschichtlichen Wissens von den kleinsten Einheiten aus, von den Orten für das Land und von den Personen für die Gesellschaft. Es geht um eine Geschichte von unten, bei der nicht die großen Haupt-und Staatsaktionen den eigentlichen Inhalt bilden, sondern die kleinen Leute und die kleinen Lebenseinheiten. Die heimatliche Landschaft ist der Raum, in dem sich beide Elemente zu einer Erlebnisgemeinschaft zusammenfinden. In diesem Zusammenhang ist beachtenswert, dass in den Jahren kurz vor dem Zweiten Weltkrieg unter Dresdner Geographielehrern der Gedanke aufkam, in Form einer heimatkundlichen Inventarisation eine Art von Universalstatistik der „Werte der deutschen Heimat“ zu schaffen, in der alle hierfür in Frage kommenden Sachverhalte von den archäologischen Zeugnissen bis zu den Kunstdenkmälern, von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart ihren Niederschlag finden sollten. Damit war ein Modell entwickelt worden, das eine Art von Idealform der hier zur Sprache kommenden Bemühungen darstellt. Der Plan wurde nach dem Kriege wieder aufgenommen und trotz mancherlei Schwierigkeiten der Verwirklichung entgegengeführt. Von den für das Land Sachsen ursprünglich vorgesehenen 150 Bänden wurden von 1957 bis 2005 erst 40 Bände veröffentlicht, so dass die Frage entsteht, ob sich auf einer solchen breit angelegten Planung ein abschließendes Ergebnis erzielen lässt. Mittlerweile hatten die Bestrebungen zur historischen Statistik auf topographischer Grundlage zu weiteren Vorhaben geführt. In der richtigen Einschätzung, dass die Städte als Konzentrationspunkte geschichtlichen Lebens für die Erforschung und die Kenntnis der Geschichte besonders wichtig sind, kam Erich Keyser auf den Gedanken, ein „Deutsches Städtebuch“ zu bearbeiten, das als ein „Handbuch städtischer Geschichte“ in Anlehnung an die Gliederung der deutschen Länder für alle Städte in Deutschland die wichtigsten Tatsachen ihrer Geschichte enthalten sollte. Das Werk gedieh in den Jahren 1940/41 bis zum zweiten Band, mit dem Erscheinen des letzten Bandes Bayern im Jahre 1974 wurde es abgeschlossen. Es trat mit der methodischen Neuerung auf, den gesamten Stoff einer Stadtgeschichte in 20 sachlich unterschiedene Punkte zu gliedern. Das hatte eine stärkere systematische Durchdringung des gesamten Themas zur Folge und kam der leichten Benutzbarkeit zugute. Die sachlichen Informationen sind dabei in einer stark verkürzten Sprachform wiedergegeben. Etwa gleichzeitig mit der Weiterarbeit am „Deutschen Städtebuch“ wurde im Kröner-Verlag Stuttgart der Plan gefasst, dem „Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler“ ein „Handbuch der historischen Stätten Deutschlands“ an die Seite zu stellen. Dieser vortreffliche Gedanke wurde im Rahmen der territorialen Gliederung Deutschlands verwirklicht, so dass nunmehr ein Hilfsmittel im besten Sinne vorliegt, das die Informationen zu den geschichtlich bedeutsameren Orten über die Städte hinaus erweitert. Eine Vollständigkeit ließ sich dabei nicht erreichen, die einzelnen Ortsartikel sind im Stil fortlaufender Texte verfasst. Als im Jahre 1951 die Arbeit an der Erstausgabe des Historischen Ortsverzeichnisses von Sachsen begann, musste zum einen auf den seit 1900 bestehenden Auftrag der Sächsischen Kommission für Geschichte bedacht genommen werden. Zweitens waren die Erfahrungen zu berücksichtigen, die mit den bereits veröffentlichten Teilen über die Amtshauptmannschaften Pirna und Großenhain gemacht worden waren. Dabei war deutlich geworden, dass ein derartiges Ortsverzeichnis für ganz Sachsen weder in der überschäumenden Fülle wie bei Alfred Meiche für Pirna, noch in der abgeschwächten Art von Otto Mörtzsch für Großenhain zu bewältigen war. Dagegen wirkte das Beispiel des „Deutschen Städtebuches“ anregend, weil hier mit der straffen Gliederung jedes Ortsartikels in 20 Punkte ein nützlicher Hinweis gegeben war. Dieses Schema wurde auch für das Historische Ortsverzeichnis zugrundegelegt und für die Neubearbeitung beibehalten, jedoch um zwei Punkte erweitert. Etwa zeitgleich mit der Abfassung des ersten Historischen Ortsverzeichnisses von 1957 begannen an der Leipziger Universität systematische Untersuchungen zur Namenforschung als Teil einer historisch-landeskundlichen Bestandsaufnahme. Aus dem bereits in den dreißiger Jahren angedachten Vorhaben einer umfassenden Bearbeitung des deutschen und slavischen Namengutes Ostmitteldeutschlands entstand auf Anregung des Germanisten Ludwig Erich Schmitt und des Slavisten Reinhold Olesch ein sprachwissenschaftliches Unternehmen, das sich vor allem in Gestalt der Reihe „Deutsch-slawische Forschungen zur Namenkunde und Siedlungsgeschichte“ darbietet. Seit dem Erscheinen des ersten Bandes 1956 wurden insgesamt 40 Bände veröffentlicht. Darunter sind die Ortsnamenbücher, die in Form von Kreis- und Gebietsarbeiten vorliegen, für die landeskundliche Aufnahme von besonderem Wert, denn häufig enthalten sie neben dem Ortsnamenbestand auch Flurnamen, Angaben zu Siedlungsformen und siedlungsgenetischen Sachverhalten, speziell auch zur Wüstungsforschung. Nicht nur aus dieser Sicht boten sie über Jahrzehnte hinweg eine wertvolle Ergänzung zur Erstausgabe des Historischen Ortsverzeichnisses. Mit dem im Jahr 2001 erschienenen „Historischen Ortsnamenbuch von Sachsen“ liegt nunmehr ein zusammenfassendes Nachschlagewerk zum Ortsnamenschatz Sachsens vor. Auf den onomastisch-siedlungsgeschichtlichen Forschungen der vergangenen Jahrzehnte fußend ist es für das Historische Ortsverzeichnis nicht nur das ergänzende Sprachlexikon schlechthin, sondern dient es auch als Quellengrundlage für einige wichtige Gliederungspunkte. Beide Lexika verkörpern die enge Verflechtung von onomastischer und landesgeschichtlicher Forschung in Sachsen. Mit dem neubearbeiteten Historischen Ortsverzeichnis wird für die künftige Arbeit an der sächsischen Landesgeschichte ein Grundlagenwerk dargeboten, das über wesentliche Sachverhalte zur geschichtlichen Landeskunde Auskunft gibt. Das geschieht hier mit Hilfe der analytischen Methode, bei der das gesamte Thema in seine kleinsten Einheiten aufgelöst wird, um von unten her ein umfangreiches Wissen aufzubauen und die Bausteine der geschichtlichen Landeskunde bereitzustellen. Eine auf die Kenntnis von Zusammenhängen und auf Vergleiche ausgerichtete wissenschaftliche Erkundung kann freilich bei diesem ersten Schritt nicht stehenbleiben, sondern muss von der Analyse zur Synthese vordringen, die in einer monographischen Darstellung anzustreben ist. Auf dem Wege zu diesem weitgesteckten Ziel bietet die Umsetzung der im Historischen Ortsverzeichnis enthaltenen Einzelheiten in eine kartographische Darstellung eine Zwischenlösung, indem auf diese Art und Weise Überblicke und Zusammenfassungen dargeboten werden. Erst mit Hilfe der Karte kann die gestaltlose, rein alphabetisch geordnete Vielzahl der Tatsachen zu einem geographisch überschaubaren Ganzen zusammengefügt und jedes Thema in seiner landschaftlich geprägten Eigenart verständlich gemacht werden. Erst auf der Karte werden Verbreitungsgebiete bestimmter Siedlungsformen, regionale Unterschiede in der Bevölkerungsdichte, politisch-administrative Einheiten und gesellschaftliche Lebenszusammenhänge innerhalb kirchlicher Sprengel sichtbar. Eine Karte fasst Hunderte oder Tausende von gleichartigen Sachverhalten zusammen, stellt sie in ihrer Wertigkeit dar und zeigt ihre landschaftliche Verbreitung. Sie allein macht die geographische Dimension der Geschichte erkennbar, weil nur sie als ein flächenhaftes Medium die im Raum wirksam gewesenen geschichtlichen Kräfte und Bewegungen darstellen kann. Es war daher eine zwingende Notwendigkeit, nach der Veröffentlichung des Ortsverzeichnisses im Jahre 1957 mit der Arbeit an einem Historischen Atlas von Sachsen zu beginnen. Bis zum Jahre 1960 wurden durch Umsetzung der Angaben im Historischen Ortsverzeichnis in thematisch festgelegte Kartenblätter 32 Kartenentwürfe hergestellt, so dass das Atlas-Anliegen in einer Denkschrift vor die Historische Kommission der Sächsischen Akademie der Wissenschaften gebracht werden konnte. Mit der Förderung durch den Leipziger Geographen Prof. Dr. Edgar Lehmann lagen bis zum Jahre 1968 bereits 17 Kartenblätter im Andruck vor. Die ideologisch bedingte Ablehnung der geschichtlichen Landeskunde durch die herrschenden SED-Historiker auf der einen, die persönlich erlebten Widerwärtigkeiten im staatlichen Archivdienst auf der anderen Seite führten zur Einstellung der hoffnungsvoll begonnenen Atlasarbeit. Sie konnte erst nach der friedlichen Revolution des Volkes und der Wiederbegründung des Freistaates Sachsen fortgesetzt werden, indem im Jahre 1992 der damalige Präsident der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Prof. Dr. Günter Haase, das Projekt „Historischer Atlas von Sachsen“ als Akademievorhaben unterbringen konnte. Die daraufhin eingerichtete Arbeitsstelle und die ihr zugeordnete Redaktionskommission haben seitdem die Atlasarbeit in Verbindung mit zahlreichen Fachleuten vorangebracht, so dass bisher 27 Karten des „Atlas zur Geschichte und Landeskunde von Sachsen“ [232] im Auflagendruck vorgelegt werden konnten. Die Hinweise auf die derzeit laufende Arbeit an diesem Atlas sollen dazu dienen, bei der Benutzung des Historischen Ortsverzeichnisses von Sachsen den Blick vom einzelnen Ort auf die umgebende Landschaft und auf das Ganze zu richten, um den Einzelfall in seinen Zusammenhang einordnen zu können. Anders als bei der Veröffentlichung der Erstausgabe vor fast 50 Jahren besteht jetzt die Möglichkeit, die bereits erschienenen Blätter des in Arbeit befindlichen Atlaswerkes in dem dargelegten Sinne zu nutzen. Wie schon für die erste Ausgabe des Historischen Ortsverzeichnisses von Sachsen gilt auch für die zweite der Wunsch an die Benutzer, die von ihnen bemerkten Fehler, Mängel und Lücken den Bearbeitern mitzuteilen.
1 Die in eckigen Klammern stehenden Ziffern verweisen auf das vollständige Zitat im Quellen- und Literaturverzeichnis.